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Chemie

PFAS-Chemikalien: Fast jeder ist belastet

„Ewigkeitschemikalien“ sind allgegenwärtig und schaden dem Herz-Kreislauf-System

Bluproben
Die Forschenden fanden PFAS-Chemikalien in nahezu allen untersuchten Blutproben. © punkty / iStock

Dringender Verdacht: Forschende haben nachgewiesen, dass sogenannte per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS) im Blut von beinahe allen Menschen vorkommen. Die Spuren der PFAS-Chemikalien sind aber nicht nur allgegenwärtig, sondern auch mit einem langfristig erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden, wie die Blutanalysen nahelegen. Die Chemikalien verursachen wahrscheinlich ungünstige Blutfette.

Chemikalien aus der Gruppe der per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS) sind wasser-, fett- und schmutzabweisend. Wegen dieser Eigenschaften kommen die synthetischen Substanzen seit ihrer Erfindung in den 1950er Jahren in unzähligen Alltagsprodukten vor, beispielsweise in Kosmetik, Zahnseide und Beschichtungen von Funktionskleidung oder Pfannen.

Doch die PFAS-Chemikalien haben einen großen Nachteil: Sie sind nur von äußert wenigen Mikroben abbaubar und gelangen daher aus den PFAS-haltigen Produkten über das Grundwasser auch in die Umwelt und in unsere Lebensmittel. Im menschlichen Körper beträgt die Halbwertszeit der PFAS circa vier bis neun Jahre. Deshalb werden sie auch als „Ewigkeitschemikalien“ bezeichnet. Immer wieder gibt es Diskussionen, ob und wie stark die PFAS unsere Gesundheit gefährden. Studien legen beispielsweise nahe, dass die Chemikalien Übergewicht und Krebs fördern und verschiedene Organe schädigen.

Blutproben aus Deutschland und den Niederlande untersucht

Ein Team um Tariq Faquih von der Universität Leiden hat nun in einer großangelegten Studie die Belastung der Bevölkerung mit PFAS genauer untersucht. Die Forschenden werteten dafür Blutproben von mehr als 2.500 Frauen und Männern im Alter zwischen 30 und 89 Jahren aus, die im Stadtgebiet von Bonn und der holländischen Gemeinde Leiderdorp wohnen. Mithilfe von modernen Massenspektrometer-Analysen ermittelten sie die Konzentration von drei der am weitesten verbreiteten PFAS-Arten – PFOA, PFOS und PFHxS – im Blut der Probanden. Zusätzlich bestimmten Faquih und seine Kollegen die Konzentration von 224 Blutfetten, Aminosäuren und anderen Stoffwechselprodukten.

Die Blutanalysen sind damit detaillierter als in vergleichbaren, früheren Studien. „Erst seit wenigen Jahren gibt es die Technologie, um Blutproben mit der Genauigkeit zu untersuchen, die für unsere Fragestellung notwendig ist“, erklärt Koautorin Elvire Landstra vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Bonn. Der Ansatz war bewusst breit angelegt und nicht auf einen bestimmten Zusammenhang zwischen PFAS und anderen Blutwerten ausgerichtet, um verschiedenste mögliche Gesundheitsrisiken gleichzeitig zu untersuchen.

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„Ewigkeitschemikalien“ fördern gesundheitsschädliche Blutfette

Das Ergebnis: Die PFAS-Chemikalien waren im Blut nahezu aller Studienteilnehmenden nachweisbar. Wesentliche Unterschiede zwischen den Proben aus Bonn und Leiderdorp sowie zwischen Männern und Frauen gab es nicht. Auch Faktoren wie Rauchen, Alkohol und Übergewicht beeinflussten die Blutwerte kaum. Unabhängig von den Lebensumständen oder anderen Einflussfaktoren können Menschen in Mitteleuropa diesen Chemikalien demnach kaum entgehen, wie Faquih und seine Kollegen berichten.

Die Untersuchungen ergaben außerdem, dass PFAS im Blut mit ungünstigen Blutfett-Profilen verbunden sind. „Wir konnten einen Zusammenhang zwischen der PFAS-Konzentration und einem nachteiligen Profil an Fettstoffen, sogenannten Lipiden, nachweisen. Dazu gehören das allgemein bekannte Cholesterin und diverse andere Blutfette, die als Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bekannt sind“, berichtet Landstra. Das seien deutliche Anzeichen für eine gesundheitsbedenkliche Wirkung von PFAS.

PFAS wirken stärker auf jüngere Menschen

Um bedenkliche Fettwerte im Blut nachzuweisen, reichten in der Studie schon relativ niedrige PFAS-Konzentrationen aus, wie Seniorautorin Monique Breteler vom DZNE erklärt. Allerdings waren nicht alle Menschen gleich belastet: „Je höher der PFAS-Spiegel, desto höher ist die Konzentration dieser Fettstoffe“. Das galt insbesondere für PFOS und PFHxS.

„Und wir haben festgestellt, dass bei gleicher PFAS-Konzentration im Blut die negativen Effekte bei jüngeren Probanden stärker ausgeprägt sind als bei älteren“, berichtet die Gesundheitsforscherin. Probanden, die jünger waren als der Durchschnitt aller Testpersonen, hatten demnach schlechtere Blutfettwerte als überdurchschnittlich alte Personen mit derselben PFAS-Belastung im Blut.

Die Studie belegt damit noch detaillierter als frühere Befunde, dass PFAS mit gesundheitsbedenklichen Blutfetten korrelieren und das schon in geringen Konzentrationen. „Strenggenommen ist das noch kein Beweis dafür, dass die PFAS-Chemikalien Verursacher der ungünstigen Blutfett-Profile sind. Doch die enge Korrelation stützt diesen Verdacht“, so Breteler. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass es möglicherweise keine sicheren Werte gibt, unterhalb denen die Exposition gesundheitlich unbedenklich ist“, schreiben die Forschenden.

Langfristiges Gesundheitsrisiko

Nach Ansicht des Forschungsteams sind die Ergebnisse ein starkes Argument für eine strengere Regulierung aller PFAS, um die Gesundheit der Menschen zu schützen – einschließlich der neueren PFHxS, die als Alternative für PFOA und PFOS entwickelt wurden. In der EU sind die Chemikalien zwar reguliert, aber nicht verboten. „Auch wenn wir für die von uns untersuchten Probanden keine unmittelbare Gesundheitsgefährdung sehen, so ist die Situation dennoch bedenklich. Denn auf lange Sicht kann sich das erhöhte Risiko sehr wohl auf Herz und Kreislauf negativ auswirken“, sagt Breteler.

Um das Risiko noch besser abschätzen zu können, sollten künftige Studien auf spezifische Bereiche des Körpers eingehen. „Wir haben uns das Blutbild angeschaut. In einem nächsten Schritt wäre es sinnvoll, das Vorkommen von PFAS in einzelnen Organen zu untersuchen“, sagt Breteler. Zudem müssten laufende Projekte vorangetrieben werden, die PFAS-Chemikalien aus der Umwelt zu entfernen. (Exposure and Health, 2024; doi: 10.1007/s12403-023-00622-4)

Quelle: Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE)

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